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Beitrag vom 28.03.2010
Nothing Personal
Lisa Erdmann
Urszula Antoniak erzählt in ihrem ersten kinofüllenden Film die leise und vorsichtige Geschichte zweier ungleich erscheinender Persönlichkeiten, die jedoch nicht nur durch ihren Drang nach Freiheit
... und ihren Wunsch nach Einsamkeit, sondern auch durch ihr Streben nach Nähe und Geborgenheit tief im Inneren verbunden sind.
Anne (Lotte Verbeek) läuft. Ihr Ziel kennt sie nicht, wichtig ist nur, dass sie ihr altes Leben hinter sich lässt. Sie hat ihre Amsterdamer Wohnung leer geräumt, ihren (Ehe-) Ring abgestreift und macht sich auf in ein neues Leben, das sie in Stille und Einsamkeit hüllt. Anne sucht die Isolation, meidet jeglichen Kontakt und reist - im Gepäck nur das Nötigste, einen Rucksack, ein Zelt und ihren Schlafsack - in die Irische Wildnis, um sich selbst zu finden.
Ihr Trip führt sie über unendlich erscheinende Straßen vorbei an rauen Felsen und weiten Feldern, durch Regen und Wind quer durch das Westirische Connemara. So hart und schroff wie die Landschaft bleibt auch Annes Miene, ihr böser Blick soll die Menschen vertreiben. Nicht nur der wolkenverhangene Himmel liegt schwer über der Landschaft, auch in den Augen der Protagonistin hängt ein grauer Schleier, der von einer inneren Verbitterung erzählt. Nur selten reist sie per Anhalter, die meiste Zeit läuft sie einfach. Auf einer kargen Flur schlägt sie ihr Lager auf, um sie herum klingt nur das Rauschen, das durch die trockenen Halme fegt.
Als Anne in der nordischen Tristesse eines Tages Leben in Form eines einsamen Hauses entdeckt, kann sie nicht anders, als sich neugierig zu nähern. Das Stück Heimat gehört, so findet die junge Frau schnell heraus, dem intellektuellen Einzelgänger Martin (Stephen Rea) der ihr anbietet, gegen Nahrung bei ihm zu arbeiten. Anne stimmt zu, ihre einzige Bedingung: Keine Fragen, kein persönlicher Kontakt, nur Arbeit gegen Essen.
Doch aus dem emotionsfreien Abkommen wird allmählich eine Art Wohngemeinschaft, bei der sich die lange gepflegten Schutzmauern der zwei AntagonistInnen langsam aufweichen. Auch wenn beide nicht einmal den Namen des anderen wissen, wird Martin doch Annes Mentor, führt sie aus und bietet ihr ein Zimmer in seinem Haus an. Wird Anne das Angebot annehmen?
Dass die zwei Sonderlinge nicht nur ihre Leidenschaft für Musik, sondern auch ein Stück ihres Seelenlebens teilen, erkennt die Beobachterin auch ohne weitreichende Erklärungen. Beide brauchen ihre Freiheit, suchen aber auch zunehmend die Nähe zum anderen. Je mehr die Protagonistin innerlich auftaut, desto schöner wird sie für die Betrachterin und auch der anfangs so steife Martin löst sich mit immer weicher werdenden Zügen aus seiner äußerlichen und innerlichen Starre.
Zwischen die zarte Annäherung der zwei EinzelgängerInnen schieben sich immer wieder in den Film eingebettete, poetische Landschafts- und Naturaufnahmen. Sie bilden die Stimmung der Figuren geheimnisvoll treffend ab und verleihen den einzelnen Szenen einen mystischen Rahmen. Wenn der nasskalte Wind immer wieder energisch in Annes feuerrotes Haar greift, dann wirkt auch sie rastlos und angespannt. Wenn jedoch die ersten von ihr gepflegten Pflanzen in Martins Garten erblühen, dann geht in dem Gesicht der Niederländerin ebenso ein Lächeln auf.
Zur Regisseurin und Drehbuchautorin: Urszula Antoniak hat die polnische und holländische Film-Akademie absolviert. Ihr Film "Bijlmer Odyssey" war eine der wenigen auch international vertrieben holländischen Fernsehproduktionen. Antoniaks Komödie über Integration in Holland "Nederlands voor Beginners" rief die Aufmerksamkeit des Publikums und der KritikerInnen hervor. "Nothing Personal" ist Urszula Antoniaks erster Spielfilm fürs Kino. (Presseinformation)
AVIVA-Tipp: Der erste abendfüllende Film der holländisch-polnischen Regisseurin Urszula Antoniak ist ein poetisches Debüt, das nicht mit Wortfülle, sondern mit kunstvollem Bilderreichtum die Seele erreicht. Die Figuren entfalten sich ohne weitreichende Dialoge und ziehen die ZuschauerInnen gerade deshalb in ihren Bann. Frau muss nicht die Lebensgeschichten der beiden IndividualistInnen kennen, um "Nothing Personal" zu verstehen, es reicht, das Hier und Jetzt von Anne und Martin mit zu erleben, um in ihre tiefen Gefühlswelten einzutauchen.
"Nothing Personal" wurde bereits auf mehreren Festivals mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem sechs Auszeichnungen auf dem Film Festival Locarno (Best Actress: Lotte Verbeek, Best First Feature, First Prize of the Youth Jury, Fipresci Prize, Cicae Award, Special Mention Ecumenical Jury), vier Auszeichnungen auf dem Niederländischen Film Festival in Utrecht (Best Film, Best Director, Best Sound Design: Jan Scherma, Best Photography: Daniel Bouquet), den Silver Giraldillo Award auf dem 6. Europäischen Filmfestival in Sevilla und auf den Hofer Filmtagen 2009 war "Nothing Personal" Publikumsliebling. Hauptdarstellerin Lotte Verbeek wurde von einer internationalen Jury als "European Shooting Star 2010" nominiert.
Nothing Personal
Irland, Niederlande 2009
Buch und Regie: Urszula Antoniak
DarstellerInnen: Lotte Verbeek, Stephen Rea u.a.
Verleih: MFA+ FilmDistribution e.K.
Lauflänge: 85 Minuten
Kinostart: 08. April 2010
Der Film im Netz: www.nothingpersonalthemovie.com
www.mfa-film.de